Was bewegt die regionalen Energieversorger?
Die Energiewende in Deutschland hat tiefgreifende Auswirkungen auf die regionale leitungsgebundene Energieversorgung, d.h. die Strom-, Gas- und Wärmenetze. Die Sektorenkopplung spielt dabei eine Schlüsselrolle und Netzbetriebe stehen vor einer Reihe von Herausforderungen, aber auch Chancen. Um erfolgreich zu sein, müssen sie sich auf die neuen Rahmenbedingungen einstellen und innovative Lösungen entwickeln. Die von CINES-Forschenden veröffentlichte Studie „Was bewegt die regionalen Energieversorger? Eine Marktanalyse von Strom-, Gas- und Wärmenetzbetrieben“ gibt einen Überblick über die aktuelle Marktsituation der leitungsgebundenen Energieversorgung auf Verteilnetzebene und identifiziert Handlungsempfehlungen aus Sicht der Netzbetriebe. Zur Beantwortung der Fragestellung wurde eine Onlineumfrage unter 1.024 Unternehmen sowie elf darauf aufbauende Expert:inneninterviews durchgeführt.
Regionale leitungsgebundene Energieversorgung in Deutschland
Deutschland verfügt über flächendeckende Strom- und Gasnetze, sowie regionale Wärmenetze. Die Regulierung der Strom- und Gasnetze zielt auf einen diskriminierungsfreien Netzzugang und freie Wahl des Energielieferanten für Verbraucher:innen ab. Seit 2005 werden diese Netze von Regulierungsbehörden überwacht und eine Trennung des Netzbetriebs von anderen Bereichen wurde eingeführt. Um die Effizienz zu steigern, wird seit 2009 eine Anreizregulierung mit Erlösobergrenzen und Effizienzvergleichen eingesetzt. Die Betriebsmodelle der Netzbetriebe unterscheiden sich in den Besitzverhältnissen und der Art der Leistungserbringung.
Die Rechtsform GmbH und das Betriebsmodell der „großen Netzgesellschaft“ sind gängige Organisationsstrukturen bei Strom- und Gasnetzbetrieben und werden als unterstützend bei den derzeitigen Herausforderungen wahrgenommen. Für Wärmenetze, die aktuell keiner entsprechenden Regulierung unterliegen, wird eine Einführung eines regulatorischen Rahmens, ähnlich dem der Strom- und Gasnetzbetriebe, diskutiert. Eine mögliche Entflechtung im Wärmenetz wird seitens der Akteur:innen in der Wärmeversorgung kritisch gesehen. Technische Machbarkeitsstudien sollten prüfen, ob dezentrale Nahwärmenetze als Inselnetze betrieben oder gekoppelt werden können. Third Party Access könnte bei der Kopplung der Wärmenetze und der Einbindung industrieller Abwärme helfen.
Chancen und Herausforderungen im Strom-, Gas- und Wärmenetz
Die Eigentumsverhältnisse und Organisationsstrukturen beeinflussen die Problembewertung der Netzbetriebe, da verschiedene Interessen abgewogen werden müssen. Zum Beispiel bewerten reine Gasverteilnetzbetriebe das Potenzial von Wasserstoff höher als kombinierte Strom- und Gasnetzbetriebe, die auch die Stilllegung von Gasverteilnetzen in Betracht ziehen. Somit beeinflusst die Struktur der Unternehmen ihre Strategien und damit den Fortschritt der Energiewende auf regionaler Ebene.
In der Wärmeversorgung bestehen Konkurrenzsituationen und Synergien zwischen den Netzen. Gasnetze stehen in Konkurrenz zu Strom- und Wärmenetzen, die bereits Alternativen für die gasbasierte Wärmeversorgung bieten. Strom- und Wärmenetze ergänzen sich durch ihre räumlichen Eignungsgebiete und Sektorkopplungstechnologien wie Großwärmepumpen. Während für das Gasnetz einen Rückgang der Erdgasnachfrage oder einen Wechsel zu synthetischem Methan oder Wasserstoff zukünftig gesehen wird, gibt es Potenzial für den Ausbau von Strom- und Wärmenetzen. Dies unterstreicht die Relevanz einer integrierten kommunalen Planung der Netze zur Wärmeversorgung, basierend auf der kommunalen Wärmeplanung.
Handlungsempfehlungen
Die Umfrage zeigt eine Verunsicherung der Netzbetriebe bei Investitions- und Wartungsmaßnahmen sowie Schwierigkeiten bei der Definition einer eigenen Strategie für die zukünftige, integrierte Netzplanung. Netzbetriebe fordern eine klare nationale Strategie und angepasste regulatorische Rahmenbedingungen. Insbesondere beim Eigenkapitalzinssatz und den Abschreibungsdauern der Gasnetzbestandteile sowie der Berücksichtigung von Rückstellungen für Netzstilllegungen werden Handlungsbedarfe gesehen.
Für Stromnetze wird der Netzausbau als wichtigste Maßnahme betrachtet, während die Digitalisierung und flexible Nutzung von Netzen weitere Chancen bieten. Eine stärkere Einbindung der Verteilnetzbetriebe in die Strategieentwicklung mit Übertragungsnetzbetrieben wird empfohlen. Die Umrüstung des Gasnetzes für Wasserstoff wird seitens der meisten befragten Netzbetriebe als sinnvoll erachtet, jedoch bisher wenig umgesetzt. Der Einsatz von Wasserstoff im Gebäudesektor wird in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur kritisch gesehen, weshalb dessen Nutzung in einer integrierten kommunalen Wärmeplanung geprüft werden sollte. Wird keine zukünftige Nutzung von Wasserstoff aufgezeigt, so sollten entsprechende Stilllegungspläne erarbeitet werden. Bei der Dekarbonisierung der Wärmenetze sehen die befragten Akteur:innen hohe Relevanz von Wasserstoff-BHKWs, Großwärmepumpen und Solarthermie, sodass auch hier die verschiedenen Pfadabhängigkeiten der Netze innerhalb einer integrierten Planung abgebildet werden müssen.
- zur Studie (publica.fraunhofer.de)