Herausforderung Digitalisierung

Was die europäische Datenstrategie für die Energiewirtschaft bedeutet.

Pressemitteilung /

Im Rahmen Ihrer Datenstrategie hat die Europäische Union (EU) eine weitreichende Rechtsgrundlage für die digitale Wertschöpfung durch Daten in Europa geschaffen – auch in der Energiewirtschaft. Während der Data Act (DA) die Datenverfügbarkeit im Energiesystem stark erweitert, regelt der Data Governance Act (DGA) vertrauenswürdige Transaktionsmöglichkeiten für diese Daten. Forschende des Fraunhofer-Exzellenzclusters »Integrierte Energiesysteme« (CINES) beschreiben in ihrem neuen Whitepaper, wie unter diesen Bedingungen der Datenaustausch in drei energiewirtschaftlichen Szenarien erfolgen kann. Betroffenen Unternehmen raten sie, sich mit einer Datenstrategie auf die kommende Digitalisierung einzustellen.

© iStock/Laurence Dutton

Mit dem Data Act verfolgt die EU das Ziel, Daten aus der Nutzung digitaler Produkte besser für alle beteiligten Parteien verfügbar zu machen. Dadurch sollen sowohl datengetriebene Innovationen in Europa erleichtert als auch die Wertschöpfung daraus gerechter verteilt werden. Zum 12. September dieses Jahres erlangen die Regelungen der bereits formal in Kraft getretenen Verordnung größtenteils Gültigkeit, weitere Schritte folgen bis September 2027. „Die neuen Regelungen eröffnen immense Möglichkeiten, auch in der Energiewirtschaft“, sagt Volker Berkhout, leitender Autor des Whitepapers. „Gerade unser künftiges Energiesystem auf Basis erneuerbarer Energien ist auf die intelligente, digitale Vernetzung seiner Komponenten angewiesen.“

© Fraunhofer CINES
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Unter den künftig geltenden Regelungen haben beispielsweise Betreiber von Windenergieanlagen Anspruch auf alle Daten, die bei der Nutzung der Anlagen anfallen. Dazu gehören etwa umfangreiche Sensordaten, die für das Betriebsmonitoring und die vorausschauende Wartung essenziell sind. Über diese Daten verfügt bislang der Anlagenhersteller als Dateninhaber exklusiv und verkauft auch die Nutzungsrechte daran an die Betreiber. Dadurch genießt er gerade im Bereich Wartung und Service einen Vorteil gegenüber Drittanbietern, eine weitere Nutzung der Daten ist nicht möglich. „Durch den Data Act wird es für Betreiber künftig erweiterten Zugang und Nutzungsrechte an den Daten geben“, erklärt Berkhout. So seien die Daten auch für andere Dienste und Anwendungen verfügbar. „Wo die Nutzungsdaten heute an die Hersteller und deren Servicepartner gebunden sind, eröffnen sich künftig Möglichkeiten für zusätzliche innovative Produkte und Dienstleistungen mit zusätzlichen Unternehmen, die den Betrieb der kapitalintensiven Anlagen weiter optimieren können“, so Berkhout. Das betrifft unter anderem externe Software-Services für die Fehlerfrüherkennung sowie das Zustandsmonitoring einzelner Komponenten direkt durch den Zulieferer.

Herausforderungen bei der Weitergabe der freiwerdenden Daten liegen insbesondere im Datenschutz sowie im Schutz intellektuellen Eigentums. So werden etwa Daten aus Energiemanagement-Systemen in Privathaushalten (HEMS) sowie Daten aus dem Batteriemanagement von Elektrofahrzeugen künftig eine immer größere Bedeutung für die Energieversorger und Netzbetreiber. Gleichzeitig sind Daten über den privaten Stromverbrauch auch personenbezogen und unterliegen der DSGVO, während Batteriehersteller das Reverse-Engineering aus den Daten des Batteriemanagements vermeiden wollen, um sensibles Know-How zu schützen. Hier sieht der Data Governance Act (DGA) verschiedene Formen von Datenspende- und Datentreuhandmodellen vor. Diese sollen sicherstellen, dass bei der Weitergabe von Daten sowohl die Schutzinteressen als auch die Zwecke der Datenweitergabe eingehalten werden. „Der DGA bietet uns die rechtliche Grundlage, Ziel- und Interessenkonflikte bei der Nutzung der freiwerdenden Daten aufzulösen“, fasst Co-Autor Dr. Marian Klobasa zusammen. „Das ist ein zentraler Faktor bei der flexiblen Integration von Haushalten und E-Autos in das zukünftige Stromnetz.“

Neben den Chancen der neuen Regulierung beleuchten die CINES-Forschenden auch ihre Risiken und Herausforderungen. Gerade die Datentreuhandmodelle im Data Governance Act seien derzeit noch mit rechtlichen Unbestimmtheiten und Kostenrisiken behaftet. Für Unternehmen der Branche sei es nun nötig, sich eingehend mit den neuen Verpflichtungen und Chancen zu beschäftigen, sagt Volker Berkhout: „Für Anlagenhersteller reicht es nicht, die Nutzungsdaten bloß zugänglich zu machen. Sie müssen sich fragen, wie sie – gemeinsam mit ihren Kunden – ihre Rolle und ihre Wertschöpfung im digitalen Ökosystem weiterentwickeln können. Energieversorger und andere Dienstleister im Energiesektor sollten sich ihrer kommenden Rechte bewusst sein, mögliche Anwendungen dafür können sie in ihrer Digital- und Datenstrategie berücksichtigen.“ 

Auf Ebene von Branchen und Sektoren können Verbände oder intermediäre Organisationen zur Standardisierung des Datenaustausches beitragen oder sogar selbst als Datentreuhänder auftreten. Dabei sind die konkreten Rollen solcher Organisationen in der künftigen Datenökonomie erst zu klären – je nachdem, welche Probleme sie durch Treuhandmodelle lösen. Im besten Fall empfehlen sich diese aufgrund ihrer organisatorischen Integrität und des Vertrauens, dass sie unter den Akteuren im Markt genießen.